Leben und Arbeiten im Zollernalbkreis

Vom Wiederkommen und Hierbleiben

Nun also wieder zurück in die alte Heimat. Der Blick in den Freundes- und Bekanntenkreis verrät: ich bin bei weitem nicht die einzige. Wiederkommen lohnt sich. Die Gründe dafür sind einerseits individuell, andererseits recht ähnlich: bezahlbarer Wohnraum, Nähe zur Familie und damit einhergehend Hilfe bei der Kinderbetreuung, sowie Heimatverbundenheit und die wunderbare Landschaft, die für Natur- und Sportfans kaum Wünsche offen lässt. 

Eine Rückkehrerin ist Dr. med. Annette Luithard. In Zeiten des Ärztemangels ist sie als junge Allgemeinmedizinerin wieder in ihre Heimat Albstadt gezogen. Auf die Frage, wie es dazu kam, antwortet Dr. Luithard: „Alles begann mit der Frage meines Vaters, ob ich in seiner Praxis einsteigen möchte. Nach reifer Überlegung entschieden mein Mann und ich, dass dies der richtige Weg für uns als Familie sein wird, obwohl wir uns in Weinstadt bei Stuttgart sehr wohl gefühlt haben. Was für den Zollernalbkreis gesprochen hat, waren die Nähe zur Großfamilie, die wunderschöne Natur, ein etwas entspannterer Immobilienmarkt, der kurze Weg zur Arbeit und die guten Standortbedingungen für eine Hausarztpraxis.“

Auf Unterschiede zu ihrem früheren Alltag in der großstädtischen Nähe angesprochen, meint sie: „Es gibt schon ein paar Unterschiede, obwohl wir in einem kleineren Ort gelebt haben als jetzt. Trotzdem war die Anbindung durch Bus und Bahn besser. Hier brauchen wir öfter das Auto. Was uns in Albstadt immer wieder positiv auffällt, ist die Freundlichkeit der Menschen: Da wird man an der Kasse vorgelassen, in der Stadt freundlich angesprochen und man begegnet viel Hilfsbereitschaft. Das tut echt gut. Im Praxisalltag ist mir aufgefallen, dass die Älbler oft erst vorstellig werden, wenn es wirklich „brennt“. Manchmal tatsächlich später, als es mir als Ärztin lieb wäre. Die Patienten erlebe ich meist als herzlich und dankbar. Dank meiner Jugendjahre hier in Albstadt verstehe ich auch das hier etwas breitere Schwäbisch.“

Und wie war das Ankommen für den Ehemann und die beiden Kinder? – „Unsere Tochter hat sich in Albstadt von Anfang an wohl gefühlt. Sie hat gleich einen Kindergartenplatz bekommen und dort schnell Freundschaften geschlossen. Unser Sohn war beim Umzug erst ein Jahr alt. Er genießt die Nähe zu Oma und Opa und die freundlichen Nachbarn. Da mein Mann ja seit Beginn unserer Beziehung regelmäßig in Albstadt war, wusste er, worauf er sich einlässt. Für ihn stand durch den Umzug ebenfalls ein Arbeitsplatzwechsel an, welcher gut geklappt hat. Er mag die Art der Albstädter und genießt die Nähe zur Natur und die Ruhe hier.

Die Familie schätzt „das vielfältige Angebot an naturnahen Freizeitmöglichkeiten: Spielplätze wie den Rossberg und das Waldheim, die sich mit kleinen Spaziergängen mitten in der Natur verbinden lassen und selbst in der Hochsaison nicht so überlaufen sind. Aber auch Bäder, Museen und das Albaquarium sind tolle Ausflugsziele. In der Ebinger Innenstadt gibt es eine schöne Auswahl an Läden, auch Second-Hand-Shops. Den Wochenmarkt haben wir besonders schätzen gelernt und genießen die geschäftige und gesellige Atmosphäre dort. Auch in unserer Kirchengemeinde haben wir gut Anschluss gefunden und genießen die Gemeinschaft, die wir dort erleben. Unseren Gästen gefällt vor allem die Schönheit der Natur und die Freundlichkeit und Herzlichkeit der Albstädter.

Und in welchem Bereich sind noch Wünsche offen? – „Für unseren Sohn haben wir leider erst ab Oktober einen Kindergartenplatz in der Regelgruppe bekommen. Auch die kinderärztliche Versorgung ist im Kreis leider schwierig, sobald eine:r der Kolleg:innen im Urlaub ist. Ich hoffe sehr, dass die Kinderabteilung des Zollernalbklinikums tatsächlich bald eröffnet wird. Dass man nachts im Notfall nach Tübingen müsste, empfinde ich als Mutter nicht sehr beruhigend.“

Im Interview zeigt sich mir: Der Zollernalbkreis ist eine lebenswerte Gegend. Aber gewisse Herausforderungen, welche deutschlandweit anzutreffen sind, lassen sich auch hier nicht ausblenden: dass es viel zu wenig Kitaplätze gibt; wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf so gelingen kann, dass es für alle zufriedenstellend ist; die Bereitschaft, Rahmenbedingungen für eine klimafreundliche Mobilitätswende zu schaffen, sowie das Umdenken zu einer nachhaltigen Gestaltung des Alltags.

Freizeitgestaltung

Unser Zollernalbkreis ist ein wunderschönes Fleckchen Erde. Kultur, Geschichte, Natur, Erdgeschichte ballen sich hier zusammen. Die fünf größten Städte Albstadt, Balingen, Burladingen, Haigerloch und Hechingen bieten ein buntes kulturelles Angebot, in vielen Dörfern herrscht ein lebendiges Vereinsleben und ein nachbarschaftlicher Zusammenhalt.

Wer in den Zollernalbkreis (zurück) zieht, weiß um die Attraktivität der Gegend. Neben den beruflichen Möglichkeiten verhelfen die unzählige Sport- und Freizeitmöglichkeiten zwischen Hohenzollern, Albtrauf und Hochalb zu einer guten Work-Life-Balance. Und- man ist ebenso schnell auch mal woanders: nördlich lockt die Metropolregion Stuttgart mit Großveranstaltungen; im Süden der nahe Bodensee mit den Alpen im Hintergrund. 

Eine Urlaubsregion, die von uns Einheimischen öfters als selbstverständlich erachtet wird. Ich bin immer wieder erfreut und überrascht, wenn ich auf Menschen treffen, die zum Urlaub machen gekommen sind. Meine neue Heimatstadt Meßstetten führt allein auf ihrer Homepage 26 Unterkunftsmöglichkeiten aller Art auf- vom Hotel bis zum Wohnmobilstellplatz. Und wer sich die Autokennzeichen auf den Wanderparkplätzen anschaut, weiß, dass die Schwäbische Alb für viele Großstädter ein schönes Ausflugsziel ist.

Aus-Bildung im Zollernalbkreis: Die Hochschule

An der Hochschule Albstadt-Sigmaringen studieren derzeit rund 3000 Studierende; 206 Mitarbeitende und 81 Professor:innen sind dort beschäftigt (Stand: November 2022). An den beiden Standorten befinden sich je zwei Fakultäten: Engineering und Informatik in Albstadt sowie Life Sciences und Business Science and Management in Sigmaringen. Angeboten werden derzeit 16 grundständige Bachelor- sowie 12 grundständige Masterstudiengänge. Hinzu kommen im Bereich der wissenschaftlichen Weiterbildung weitere Studiengänge, die nebenberuflich und überwiegend online studiert werden können. Sämtliche Bachelor- und Masterstudiengänge können in Vollzeit, aber auch in individuell zu vereinbarender Teilzeit studiert werden.

Für noch unentschlossene Studienanfänger:innen wird ein Orientierungssemester angeboten: Ein Semester lang kann fakultätsübergreifend in sämtliche Studiengänge hineingeschnuppert werden. Gleichzeitig können sie bereits Prüfungsleistungen erbringen, die ihnen in ihrem späteren Studium angerechnet werden. Studierende, die zuvor eine einschlägige Ausbildung gemacht haben oder Berufserfahrung mitbringen, können sich bestimmte Leistungen anrechnen lassen und ihr Studium dadurch verkürzen. Und das Kombistudium („Hochschule plus“) führt in nur viereinhalb Jahren zu einem Doppelabschluss: Die Absolvent:innen erlangen einen IHK-Abschluss für ihre Ausbildung in einem Partnerunternehmen sowie einen vollwertigen Bachelorabschluss. 

Die Hochschule Albstadt-Sigmaringen zeichnet sich durch eine sehr persönliche und individuelle Betreuung aus. Anders als an einer größeren Universität, geht hier der oder die einzelne nicht unter. Das Career Center unterstütz bei der Praktikums- und Jobsuche. Und das International Office hilft Studierenden weiter, welche einen Auslandsaufenthalt planen.

Außerdem ist die Hochschule bestrebt, die Studien- und Arbeitsbedingungen familienfreundlich zu gestalten und trägt das Zertifikat „audit familiengerechte hochschule“. Hinzu kommt neben der landschaftlichen Attraktivität mit vielen Freizeitangeboten, dass die Region wirtschaftlich stark ist, so dass die Studierenden früh mit attraktiven Arbeitgebern in Kontakt kommen: Ich frage bei Corinna Korinth, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Hochschule, nach Verbindungen zwischen Hochschule und den ansässigen Unternehmen. Sie bestätigt mir, dass eine sehr intensive Verknüpfung vorherrsche: „Die Hochschule Albstadt-Sigmaringen ist eine Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW), die den Praxisbezug bereits im Namen trägt. Während des Studiums führen unsere Studierenden Praxisprojekte bei/mit kooperierenden Unternehmen durch und lösen hierbei reale Fragestellungen. Alle Studierenden absolvieren das obligatorische Praxissemester, und viele schreiben sogar ihre Abschlussarbeiten in Kooperation mit Firmen. Hinzu kommen Exkursionen und weitere Angebote des Fördervereins, von denen die Studierenden profitieren und bereits während des Studiums ein berufliches Netzwerk aufbauen können. Diese zahlreichen Kontaktpunkte mit Unternehmen bereits während des Studiums führen natürlich auch dazu, dass sich Arbeitsverhältnisse nach dem Abschluss verstetigen und viele unserer Absolvent:innen der Region erhalten bleiben.“

Der Bachelorstudiengang Textil- und Bekleidungstechnologie sowie der Masterstudiengang Textil- und Bekleidungsmanagement sind beides sehr gefragte Studiengänge, für die die Studierenden teilweise eigens von weit her nach Albstadt kommen. Auch im noch jungen Studiengang Sustainable Engineering können sie aus mehreren Vertiefungsrichtungen wählen, darunter ebenfalls Textil- und Bekleidungstechnologie. 

In diesen Studiengängen wird die lange Geschichte der Textilindustrie in Albstadt sichtbar. Die kargen Böden und das raue Klima machten die Landwirtschaft schwierig – Schafe jedoch kommen mit diesen Bedingungen gut zurecht. Da viele Menschen früher auf einen Nebenerwerb angewiesen waren, gab es sowohl genügend Wolle als auch Arbeitskräfte. Der Anschluss an das Eisenbahnnetz sowie die neue Dampfmaschine führten Ende des 19. Jahrhunderts zur Industrialisierung der Zollernalb. Die Textilindustrie hatte dabei fast eine Monopolstellung. Durch die Konkurrenz aus Osteuropa und Asien war die Branche ab 1970 zum Umdenken gezwungen. Seitdem setzen die Betriebe in und um Albstadt vermehrt auf technische Textilien und Funktionskleidung.

Des Weiteren sind auf der Zollernalb v.a. mittelständische Betriebe mit vielfältigen Ausbildungs- und Arbeitsplätzen prägend. Die IHK Reutlingen benennt im Zollernalbkreis vier sogenannte „Hidden Champions“: Bizerba SE & Co. KG, Blickle Räder+ Rollen GmbH u. Co. KG, Groz-Beckert KG und Gühring KG. 

2009 wurde der Verein „Medical Valley Hechingen gegründet“ mit dem Ziel der Förderung von Start-ups am STandort Hechingen sowie interne und überregionale Vernetzungen, Weiterbildung und Standortvermarktung. Wir zeigen Ihnen in Folge Einblicke in die Bilungsmesse VISIONEN und waren im Medical Valley vor Ort, um uns genauer umzusehen.

Autorin: Simone Haas