RESPEKT, VERTRAUEN,FREUNDSCHAFT
Die Basis einer funktionierenden Mensch-Hund-Beziehung
Die Sonne scheint über Frommern, dem zweitgrößten Stadtteil Balingens. Viel Grün. Viel Wald, und jede Menge Platz, um die Fellnasen rennen zu lassen. Michael Waiblinger öffnet mir die Tür. Hinter ihm steht mit großen Augen eine Dobermann-Rottweiler Hündin, gefolgt von einer weißen Bulldogge. Beide neugierig, aber brav und wohlerzogen.
Die schwarze Hündin ist erst ein Jahr alt, voller Leben strotzt sie nur so vor Energie und Kraft. Ein großes, schönes Tier. Elegant und sportlich. Der Dobermann-Rottweiler-Mischling ist allerdings nur vorübergehend Gast in diesem Haus. Bei einer Tasse Kaffee erzählt mir Michael ihre Geschichte. Rasse- und altersbedingt bedarf es bei dieser Hündin einer guten Ausbildungs-und Erziehungsarbeit. Diese waren bei der Hündin durch den Umstand, dass viele wichtige Trainingseinheiten in Hundeschulen aufgrund der Corona-Verordnungen nicht durchgeführt werden konnten, nicht vorhanden. Und so fehlen wichtige, soziale Elemente in der Erziehung eines Hundes. „Nicht nur in seinem Verhalten gegenüber dem äußeren Umfeld. Vielmehr schleichen sich bei unseren Fellnasen auch unerwünschte Verhaltensweisen innerhalb des eigenen Zuhauses und gegenüber der Familie ein“, so Michael. Die Besitzerin der Hündin war sich aber ihrer Verantwortung bewusst und hat ihn aufgrund einer Empfehlung kontaktiert. Das war vor acht Wochen.
Heute zeigt die Dobermann-Rottweiler-Mischung ein ausgewogenes, soziales Verhalten gegenüber Mensch und Tier. Alle Grundkommandos werden schnell und ohne trotzige Abwehrreaktionen, im Gegensatz zu Beginn des Trainings, befolgt. „Das funktioniert aber nur, wenn die Besitzer der Hunde sich intensiv mit ihren Hunden auseinandersetzen“, erklärt mir Michael. „Was sich eigentlich als Selbstverständlichkeit anhört, ist im Alltag jedoch die erste Hürde, die es zu meistern gilt. Die Menschen müssen lernen, ihre Hunde lesen, und damit verstehen zu können. Ist der Mensch in der Lage, die körpersprachlichen Elemente des Hundes zu verstehen, stellen sich die Trainingserfolge fast von selbst ein – und das sehr schnell. Wir trainieren also nicht nur den Hund, sondern gleichzeitig auch den Menschen. Zudem haben wir unterschiedliche Rassen mit extrem verschiedenen Charakteren, die auch differenzierte Anforderungen an uns und ihre Umwelt stellen“, führt Michael weiter aus. Wie zum Beweis mustert mich die schwarze Hündin und scheint mich zum Spielen auffordern zu wollen, während die weiße Bulldogge liegend in sich zu ruhen scheint.
Die Dobermann-Rottweiler-Hündin verkörpert schon ganz gut, was hinter der Arbeit von Michael steckt. Hundeschule ist eben nicht gleich Hundeschule. Und Hund ist nicht gleich Hund. „Im Rahmen von unseren Welpen- und Junghundegruppen stellen wir die Weichen für ein funktionierendes Miteinander und geben den Haltern alle Instrumente der Grunderziehung mit auf den Weg. Wir stellen aber vermehrt fest, dass viele Hunde mit auffälligem oder gar problematischem Verhalten zu uns kommen. Dabei handelt es sich nicht nur um mangelnde Leinenführung oder Leinenpöbelei. Immer öfter werden auch Hunde bei uns vorstellig, die bspw. unangemessene Aggressivität gegenüber Artgenossen oder Menschen an den Tag legen“, so der Frommerner. In der Hundeschule von Michael wird gewaltfrei, mit positiver Verstärkung und Spiel, Kommunikation und Belohnung gearbeitet. „Eigentlich ist es ganz einfach“, lacht Michael. „Erst verstehen wir unsere Hunde, dadurch erarbeiten wir uns den notwendigen Respekt, das Vertrauen und dann die Freundschaft und Zuneigung unserer Hunde. Ein Band, das Mensch und Tier zusammenschweißt.“ Ganz egal, in welchem Fell der Hund geboren wurde. Abgelehnt wird in Frommern nämlich niemand. Rasse, Alter oder Herkunft spielen für Michael keine Rolle. Der bissige Riesenschnauzer ist in der Einzelstunde der Hundeschule genauso willkommen, wie der ängstliche Tierschutz- oder Auslandshund oder die sogenannten Listenhunde, die für einen Wesenstest vorbereitet werden müssen. Diese Hunde werden in einem Einzeltraining geschult. Was allerdings nach einem denkbar einfachen Konzept klingt, stellte den 58-jährigen Hundetrainer aber schon vor so manche Hürde. „Mit Hunden beschäftige ich mich schon über 20 Jahre.“ Allerdings benötigt man für diese Art von Arbeit eine qualifizierte Ausbildung, um in Deutschland mit den Tieren arbeiten zu können. So weit, so nachvollziehbar. „Das Ziel war, ein Training anbieten zu können, das Mensch und Hund als Team zusammenschweißt. In all den Jahren, die ich ehrenamtlich im Tierschutz gearbeitet habe, hat es sich einfach richtig angefühlt, Menschen helfen zu können, die in ihrer Verzweiflung ihre Tiere im Tierheim oder sonst wo abgeben wollten.“ Und so drückte Michael nach der Ausbildung zum Hundekaufmann, Hundefachmann, Hundetrainer sowie dem Sachkundenachweis für gefährliche Hunde nochmals die Schulbank für den Sachkundenachweis „Verhaltenstherapie“.
Kein einfacher Weg, auch wenn der Balinger Verständnis für derart aufwändige Ausbildungen zeigt. „Der Umgang mit unseren Hunden hat sich in den letzten 20 Jahren sehr stark verändert“, führt Michael weiter aus. Motivation und positive Verstärkung statt Unterordnung und nicht artgerechte Trainingsmethoden rücken in den Mittelpunkt der Ausbildung. „Die Halter sind immer wieder überrascht und neugierig, wie einfach und effizient in den Trainingsstunden gearbeitet wird. Und noch viel überraschter sind viele Hundebesitzer, wie schnell die gewünschten Verhaltensveränderungen sich dann tatsächlich einstellen. Wenn der Mensch das Verhalten seines Hundes versteht, dann kann er auch zielgerichtet, schnell und wirksam das Verhalten des Hundes ändern und in die gewünschte Richtung lenken.“ Ich möchte wissen, ob dies für alle Rassen gilt. Mir geistert der Begriff „Kampfhund“ im Kopf herum, ohne dass ich diesem Begriff eigentlich eine genauere Beschreibung zuordnen könnte. Da Michael auch auf dem Gebiet „Verhaltenstherapie“ ausbildet und arbeitet, interessiert es mich, ob hier ein nachhaltiger Zusammenhang besteht. Michael antwortet kurz und knapp mit einem deutlichen „Nein“. Es gibt in den verschiedenen Bundesländern die sogenannten „Kampfhundeverordnungen“. Laut dieser müssen bestimmte Rassen einen sogenannten Wesenstest abhalten. Wenn es nach dem Gesetzgeber geht, können Hunde also durchaus im falschen Fell geboren werden. Laut Michael ist dies im Grunde eine Diskriminierung von Hund und Besitzer, den neben besagtem Wesenstest, den es zu bestehen gilt, können die Halter auch mit einer absurd höheren Hundesteuer konfrontiert werden.
Dabei liegen besagter Kampfhundeverordnung keinerlei aussagekräftige Beweise in Form von Statistiken oder wissenschaftlichen Studien vor. Im Gegenteil. Eine Studie der Freien Universität Berlin oder Studien der US-Universitäten MIT und Harvard belegen, dass die Rassenzugehörigkeit keinerlei Auswirkungen auf die Aggressivität eines Hundes hat. „Die Kampfhundeverordnung wurde nach dem bedauerlichen Vorfall im Jahr 2000, wo in Hamburg ein Junge von zwei Hunden zu Tode gebissen wurde, verfasst. Von Politikern, wohlgemerkt. Nicht von Hundefachlauten, Tierärzten oder gar Wissenschaftlern. Somit nicht faktenbasiert, dafür amateurhaft und willkürlich.“ Für den Tierfreund ist dies kein zufriedenstellender Umstand. Erst recht, weil hierbei die Bundesländer völlig unterschiedlich entscheiden. Michaels früherem Hund beispielsweise, einer amerikanischen Bulldogge, musste er jedes Mal beim Grenzübertritt nach Bayern erklären, dass er ab sofort als gefährlicher Hund eingestuft sei. Trotz mehrmaliger Ermahnung weigerte sich die Bulldogge jedoch beständig, ihr Verhalten zu ändern, fügte Michael augenzwinkernd an. Andere Bundesländer, wie bspw. Schleswig-Holstein oder Niedersachsen, führen eine solche Rasseliste aufgrund mangelnder wissenschaftlicher Belege überhaupt nicht. „Aber bei uns sind diese Wesenstests nun mal Pflicht geworden. Dabei ist das Problem, dass es kaum Hundetrainer gibt, die Halter und Tier auf diese Tests vorbereiten.“ Fällt man durch diesen Test, gilt das Tier als gefährlich. So schnell besitzt man also einen ausgewiesenen Kampfhund. Maulkorb und Leinenpflicht sind die Folge. Damit es gar nicht so weit kommt, sorgt Michael vor. Denn diese Tests beinhalten an sich sinnvolle Elemente, die eigentlich jeder Hund beherrschen sollte. Impulskontrolle, Umgang mit Artgenossen oder Bedrohungssituationen im Alltag oder das Vermeiden von fehlgeleitetem Beutefangverhalten. Die Vorbereitung zum Wesenstest stellt nur einen, durchaus spannenden, Teil von Michaels Arbeit dar. Aber da ist noch viel mehr.
Wir gehen vor die Tür – die schwarze Hündin sieht ihre Chance auf Spiel und ausgiebiges Toben gekommen und macht dies durch nachdrückliches Auffordern mit den Pfoten und Nase deutlich, während die Bulldogge völlig unaufgeregt die neue Situation registriert. So langsam verstehe auch ich als Hundeamateur die Bedeutung unterschiedlichen Verhaltens bei unterschiedlichen Rassen. Michael gibt der Dobermann-Rottweiler Hündin ein kurzes Zeichen mit der Hand, woraufhin sich diese erwartungsvoll hinlegt. „Siehst Du,“ sagt Michael zufrieden, „sie respektiert uns, weil sie darauf vertrauen kann, dass wir uns noch mit ihr beschäftigen werden. Egal, wie lange es noch dauern wird. Kein Anspringen, nörgeln oder gar nach vornegehen mehr.“ In unmittelbarer Nähe befindet sich eine große Wiese. Nicht weit vom Wohnhaus von Michael befindet sich noch ein großes zweites, eingezäuntes Areal, das er ebenfalls für Trainingszwecke nutzt. Michael zeigt auf ein großes, benachbartes Grundstück. Auch hier werden die Vierbeiner bald trainieren, toben und spielen. Und es ist natürlich der Platz, der für die Pensionshunde, wie die Dobermann-Rottweiler-Hündin, benötigt wird. So kann Michael verschiedene Trainingsareale für verschiedene Anforderungen anbieten. Die Welpengruppe sowie die Junghunde und Fortgeschrittenengruppe sind hier regelmäßig aktiv. Dabei tummeln sich keineswegs nur Problemhunde auf den Wiesen der Zollernalb. Auch wer sein Tier einfach nur bestmöglich erziehen will, ist bei Michael richtig. Gerade die Welpengruppe bietet den jungen Hunden in ihrer wohl wichtigsten Lernphase des Lebens ausreichend Möglichkeit für Sozialkontakte und für das kleine Hundeinmaleins. Von überall her kommen zwischenzeitlich die Hundehalter. Reutlingen, Sigmaringen, Rottweil. Dabei muss Michael schon Prioritäten setzen. Die jeweiligen Hundegruppen sind limitiert, um die Qualität und den Lerneffekt auf hohem Niveau zu halten. Die schwarze Hündin lauscht derweil und wedelt mit dem Schwanz. Auch sie wird demnächst, dank dem Ehrgeiz der Halterin und der Entwicklung der Hündin, Teil der Fortgeschrittenengruppe. Das mächtige Tier sitzt bereits wie auf heißen Kohlen, wedelt mit dem Schwanz. Dann gibt Michael das Freigabesignal und die schwarze Hündin und auch die bis dahin scheinbar teilnahmslose, ruhige Bulldogge setzen zu einem wilden Spiel an. Mit Mühe erinnere ich mich nach diesem Gespräch und dem Anblick der spielenden Fellnasen an meine eigentliche Angst vor großen Hunden.
Autor: Benni Sauer
Fellnasen-Akademie | Hundeschule
Michael Waiblinger, zertifizierter Hundetrainer/Verhaltenstherapeut
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