Lieblingswäsche aus dem Zollernalbkreis
Comazo-Geschäftsführer Christian Maier führt durch das Familienunternehmen
Auf der schwäbischen Alb findet sich Tradition genauso, wie Innovation. Dort gibt es einige „hidden champions“, die den Standort schätzen und glücklicherweise daran festhalten. Seinen Sitz hat dort auch das inhabergeführte Familienunternehmen Comazo GmbH & Co. KG, dessen Geschäftsführer Christian Maier mich heute durch die Geschichte und die Philosophie des Textilherstellers führt. Beeindruckend vorneweg ist die Tatsache, dass Comazo als erstes deutsches Wäscheunternehmen überhaupt, Produkte aus Fairtrade-zertifizierter Baumwolle anbot und bis heute der größte deutsche Abnehmer von Fairtrade-Bio-Baumwolle für die Produktion von Unterwäsche ist. Da steigt das Interesse zu erfahren, wie sich diese Strategie in Zeiten von Ultra Fast Fashion behaupten kann und wohin die Wege eines nachhaltig produzierenden Textilunternehmens führen werden.
Herr Maier, können Sie uns anhand des Slogans „Wir leben Lieblingswäsche“ die Tür zu Comazo öffnen?
„Bei Comazo dreht sich rund um die Uhr alles um Lieblingswäsche. Unsere Mitarbeiter beschäftigen sich tagtäglich mit Wäscheteilen. Wir kreieren stetig neue Designs, entwickeln neue Stoffe oder Passformen. Verkauft werden diese an Großkunden und Endkonsumenten in über 25 Stores und im eigenen Onlineshop. Außerdem tragen wir unsere Wäsche selbst und stehen in ihr vor der Kamera. Was anlässlich unseres 125-jährigen Jubiläums als einmalige Aktion gedacht war, hat inzwischen seit 15 Jahren Kultstatus. In zahlreichen Shootings mit Mitarbeitern als Fotomodels entstehen all unsere Produktbilder. Das dabei eingesparte Modelbudget spenden wir dann regelmäßig an soziale Einrichtungen.
Neben Produktionsstätten in Europa oder ausgewählten Partnern weltweit produzieren wir als einer der letzten vollstufigen Textilfabriken am Standort Albstadt, zum größtenteils in Eigenregie. Wir kaufen das Garn und übernehmen die volle Wertschöpfung bis zum fertigen Wäscheteil – stricken, ausrüsten, zuschneiden, nähen verpacken, versenden.
Kurzum: Wir leben Lieblingswäsche und wollen, dass unsere Kunden Ihre Lieblingsstücke, welche sie immer als erste aus der Wäscheschublade nehmen, bei uns finden.“
Das ist Produktdurchdringung schlechthin und auch Wertschätzung in jedem Schritt Ihrer Wertschöpfungskette. Sie vertreiben ja verschiedene Produktlinien. Wie sind diese denn entstanden?
„Durch die Bedürfnisse unserer Kunden. Das Leben und die Einsatzzwecke von Kleidung sind vielseitig, und das bilden unsere Produktlinien ab. So ist beispielsweise comazo unsere Alltags-Wohlfühlwäsche für jeden Tag. comazo|black ist unsere exklusive Unterwäsche aus hochwertigen und erlesenen Materialien, wie Qualitäten aus Wolle-Seide oder Modal. comazo|active bietet hightech Baselayer, meist aus Merinowolle, die super angenehm auf der Haut sind und sich hervorragend für Outdoor und Sport eignen.
Auf unsere Bio-Linie comazo|earth sind wir besonders stolz. Damit haben wir als erstes deutsches Textilunternehmen eine Kollektion für Damen, Herren und Kinder auf den Markt gebracht, deren biologische Rohstoffe zu 100 Prozent aus fairem Handel stammen und die praktisch vollständig GOTS zertifiziert sind. Seit Anfang 2009 sind wir „Fairtrade“-lizenziert und bis heute größter deutscher Abnehmer von fair gehandelter Biobaumwolle für die Produktion von Fairtrade Bekleidung.“
Das klingt äußerst fair. Was bedeutet es grundsätzlich für Comazo, den Weg der Nachhaltigkeit zu beschreiten?
„Wir tragen als Hersteller eine große Verantwortung und versuchen durch Neuerungen in vielen Prozessen den nachfolgenden Generationen eine saubere Umwelt zu hinterlassen. Wir legen Wert auf ausgewiesene Prädikate wie GOTS, Fairtrade und PETA-approved vegan. Wo möglich verwenden wir recycelte Materialien und betreiben niemals Business mit Hochrisikoländern. Wir bekennen uns voll und ganz zur DETOX-Kampagne und deren Ziele. Und ein weiteres Grundprinzip von uns lautet, modernste Technologien einzusetzen.
Doch am wichtigsten sind aus unserer Sicht maximale Transparenz und Ehrlichkeit. Wir haben sehr viele Bereiche, z. B. die Energieeffizienz unseres historischen Gebäudes, in denen wir schlecht sind und uns massiv verbessern können. Es darf nicht darum gehen, sich gut darzustellen, sondern sich aktiv zu verbessern, so gut es mit den verfügbaren wirtschaftlichen Mitteln geht.“
Was bedeutet es darüber hinaus, Bio-Wäsche zu produzieren?
„Wir sind sehr stolz darauf Bio-Wäsche aus fairem Handel zu produzieren. Durch diese Linie können wir sicherstellen, dass die Baumwoll-Bauern zu ökologischen und fairen Bedingungen erzeugen können. Es ist unser Ziel nur noch organische oder recycelte Materialien einzusetzen. Bei Baumwolle sind wir da schon ganz nah dran.“
Nun leben wir ja im Zeitalter der Ultra Fast Fashion, die eher weniger in der gleichen Liga von Comazo spielt. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass Sie mit deren Herausforderungen zu kämpfen haben. Wie begegnen sie diesen?
„Wir begegnen seit vielen Jahren einer Tendenz, dass Wäscheteile von vielen Anbietern sehr billig auf den Markt geworfen werden. Die Versuchung diese Teile zu kaufen ist verständlich. Der Gedanke dabei ist, dass man ja nicht viel kaputtmachen kann, in diesem Fall Geld, wenn man die Wäscheteile nur einige Monate trägt, bevor sie sich in ihre Bestandteile auflösen, schrumpfen oder ausbluten. Zu diesen Tiefpreisen kann man sich ja dann wieder etwas Neues kaufen.
Wir versuchen es andersherum. Wir glauben, dass man schlauer kauft und spart, wenn man sich Wäsche von Comazo kauft, die fünf, zehn oder sogar noch mehr Jahre hält. Zudem ist das nachhaltiger und verursacht weniger Abfall.
Derzeit beschäftigen wir uns zudem sehr intensiv mit den Möglichkeiten eines Kreislaufsystems, das es unseren Kunden erlaubt, ausgebrauchte Wäscheteile wieder an uns zurückzugeben. Wir werden diese dann mechanisch, chemisch oder mikrobiologisch recyceln und als Faser wieder in unsere neue Produktion einarbeiten. In dieser Thematik nehmen wir an mehreren Forschungsprojekten teil.“
Scheint, als gingen Sie erneut als erster mutig voran. Was muss sich aus Ihrer Sicht aber auch allgemein ändern?
„Die Lieferanten stehen vor einem Dilemma. Im Rahmen der Corporate Social Responsibility der Textilunternehmen kommunizieren die Abteilungen sehr aktiv und stolz ihre angeblichen Anstrengungen gegen die sozialen und ökologischen Missstände in der Textilbranche. Die Lieferanten dieser Konzerne haben es jedoch mit den Einkaufsabteilungen zu tun und diese interessiert meist nur der Preis. Es geht nach dem Motto: „Natürlich wollen wir organische Fasern und Bezahlung von Living Wages (existenzsichernde Löhne), aber bezahlen werden wir nicht mehr.“ Hier soll demnach der Lieferant die Preisdifferenz durch Produktivitätseinsparungen ausgleichen.
Das weitere Problem: Die Politik hört naturgemäß auf die großen Player. Das Resultat sind Gesetze, Verordnungen oder Zertifizierungen, die meist darauf abzielen, dass viele Dokumente erstellt und präsentiert werden müssen. Große Konzerne richten hierfür ganze Abteilungen ein. An Produktionsbedingungen ändert sich tatsächlich aber wenig, weil die Preise ja dieselben bleiben müssen. Kleinere Unternehmen ertrinken dann in der geforderten Bürokratie.
Wir sind als Unternehmer gefordert, ehrlich zu handeln und zu kommunizieren und den Mehrwert unseres Produktes transparent darzustellen. Endverbraucher sind dann auch bereit, für ein nachhaltiges, gutes Produkt mehr zu zahlen. Wer dies als Endverbraucher aus finanziellen Gründen nicht kann, darf allerdings nicht verurteilt werden.“
Das ist ein gutes Stichwort. Worauf dürfen wir uns als Kunden im Textilbereich generell (wieder mehr) fokussieren?
„Wir als Hersteller müssen uns auf Qualität und Langlebigkeit der einzelnen Produkte fokussieren, damit wir Kunden von der Wertigkeit unserer Artikel überzeugen können. Und genau das ist auch der Punkt, bei dem Endverbraucher ansetzen müssen. Durch den Kauf von langlebigen und fair produzierten Textilien kann sichergestellt werden, dass wir die Belastung der Umwelt minimieren und auch die Menschen, die produzieren, fair bezahlt werden.“
Gab es Momente in der Geschichte von Comazo, in welchen Sie auch neue Wege gehen mussten?
„Leider oder glücklicherweise oft. Unsere Branche hat seit Jahrzehnten strukturelle Probleme. Eigentlich sind wir in der falschen Branche und an einem ungünstigen Produktionsstandort. Die Bekleidungsbranche ändert sich rasant, Einzelhandelssterben und Onlineboom sind nur Stichworte der letzten Jahre. Fast alle unserer Kunden von vor 25 Jahren gibt es nicht mehr. Wir mussten also neue Wege gehen. Zwei Beispiele:
Erstens war wichtig, dass wir neben dem Sektor B2B, dem Verkauf an Großkunden, auch früh mit dem Verkauf an Endkunden und dem Betreiben von eigenen Stores gestartet sind. Genauso haben wir bereits vor zehn Jahren konsequent auf einen Onlineshop, den wir ganz autonom inklusive Fulfillment betreiben, gesetzt.
Zweitens haben wir fleißig daran gearbeitet, unser Produktportfolio komplett neu auszurichten. Während wir vor 20 Jahren noch hauptsächlich weiße Unterwäsche aus Feinripp und Doppelripp verkauften, haben wir neben unserer fairen comazo|earth-Linie auch unseren Fokus auf Arbeits- und Schutzwäsche mit flammhemmenden Base-Layern oder funktionelle Merinowolle-Wäsche gelegt.“
Gibt es hingegen etwas, das sich Comazo immer bewahrt hat?
„Das können eigentlich nur unsere Mitarbeitenden richtig beantworten. Unternehmer sagen und meinen ja vieles. Aus Geschäftsleitungssicht würde ich sagen, Innovation und Tradition, flache Hierarchien und kurze Kommunikationswege, sowie viel Arbeit an jeder Maschine und jedem Schreibtisch. Und eine meist konstruktive Art miteinander im Team Lösungen zu finden.“
In diesem Jahr können Sie auf 140 Jahre Comazo zurückblicken und Jubiläum feiern. Worauf sind Sie ganz besonders stolz?
„Dass wir nach 140 Jahren immer noch als mittelständisches Textilunternehmen auf der Schwäbischen Alb ansässig sind. Verdanken haben wir dies unseren aktuellen Mitarbeitern und allen Ehemaligen, die das möglich gemacht haben.“
Welche Überlegungen haben Sie in Richtung Zukunft?
„Wir wollen einen neuen Onlineshop einführen, der unseren Kunden noch mehr Komfort und ein verbessertes Einkaufserlebnis bietet. Außerdem sollen viele weitere top innovative Serien aus Merinowolle und Funktionsmaterial entstehen.“
Könnten denn Einheimische denn zur Besichtigung vorbeikommen?
„Selbstverständlich. Betriebsbesichtigung sind jederzeit möglich. Ob mit der ganzen Familie oder als Gruppen kann live vor Ort verfolgt werden, wie faire Wäsche produziert wird. Auch Kinder sind bei uns immer gerne willkommen. Unsere Geschichte ist spannend für Groß und Klein.“
Herr Maier, wie war eigentlich Ihr Weg in die Textilbranche?
„Da Comazo ein Familienunternehmen ist, könnte man annehmen, dass mein Weg vorgezeichnet war. Dem war jedoch nicht so. Ich hatte mit dem Unternehmen als Kind und Jugendlicher recht wenig zu tun. Ich habe auch nicht Textil oder Bekleidung, sondern Wirtschaftswissenschaften an der Universität St. Gallen studiert. Erst nach Abschluss des Studiums entschied ich mich nach Vorschlag meines Bruders bei Comazo einzusteigen – aber nur für 5 Jahre. Danach wollte ich eigentlich nach Südafrika auswandern. Nach dem Tod meines Bruders im Jahr 2008 bin ich jedoch zurückgekehrt und habe diesen Schritt auch nie bereut.“
Sind Sie im Zollernalbkreis auch aufgewachsen?
„Ja, ich bin in Truchtelfingen aufgewachsen und dort in die Grundschule gegangen. Dann habe ich am Gymnasium Ebingen mein Abitur gemacht. Erst danach bin ich zum Studium in die Schweiz.“
Was ist es, was Sie am Standort Albstadt-Tailfingen schätzen und Sie auch daran festhalten lässt?
„Das sind die Menschen. Wobei das auch für alle umliegenden Gemeinden gilt.“
Haben Sie darüber hinaus einen besonderen Tipp für den Zollernalbkreis? Etwas, das nicht in aller Munde ist und dennoch sehenswert?
„Ich liebe unsere Traufgänge, alle sieben. Die sind zwar „in aller Munde“, werden aber gerade deshalb von uns Einheimischen als „gegeben“ betrachtet. Das Erlebnis ändert sich jedoch je nach Wetter und Jahreszeit und ist daher immer aufs Neue besonders.“
Herr Maier, gibt es noch etwas, das Sie uns aus Sicht der Textilbranche mitgeben möchten?
„Ja. Wert auf gute und nachhaltige Textilien zu legen und die verbliebenen Textilunternehmen zu unterstützen. Allen voran natürlich Comazo. Doch auch alle anderen machen einen super Job.“
Aus meiner Sicht eine plausible Message, die wir nur zu gerne nach außen tragen. Um einerseits die Wertschätzung für die Leistung zu verankern. Und um andererseits sicherzustellen, dass der Zollernalbkreis als Wirtschaftsstandort weiterhin attraktiv bleibt. Für Erholungssuchende und Einheimische ist er dies schließlich längst.