Hinter den Kulissen

Oder: Warum es keine Rehe im Wildgehege Meßstetten gibt

Lisa Krauß vom Verein „Wildgehege Meßstetten“ erklärt es mir mehrmals. Und geduldig. Wie das mit den Rehen ist, den Hirschen und dem Rotwild: Rehe sind näher verwandt mit den Gämsen und nur die Böcke tragen ein Geweih. Sie sind Feinschmecker und schwer satt zu bekommen. Außerdem sind sie eher allein unterwegs und brauchen viel Platz. Für das Wildgehege wäre die Haltung zu kompliziert. Das Rotwild dagegen frisst alles. Zu ihm gehört auch das Damwild, welches die weißen Flecken der Kitze behält. Beide sind langjährige Bewohner des Wildgeheges.

Das Damwild ist leichter zu erkennen, meine ich. Es ist deutlich kleiner als das Rotwild. Seine Fellfarbe hat im Sommer hellrot-braune Grundtöne mit den charakteristischen weißen Flecken. Auf der Winterdecke überwiegt ein heller bis dunkler Grauton und die Flecken sind dadurch weniger sichtbar. Zum Rotwild gehören die Hirsche, die einen oft schon am Parkplatz begrüßen. Der Hirsch, auch König des Waldes genannt, trägt als Kopfschmuck und Waffe ein Geweih. Es sei eine landläufige, aber falsche Meinung, von der Zahl der Enden das Alter bestimmen zu können. Im Regelfall trägt der einjährige Hirsch zwei Spieße auf seinem Haupt. Bereits im zweiten Lebensjahr kann der Hirsch sechs Enden und mehr geschoben haben. Mit steigendem Lebensalter nimmt die Zahl der Enden und die Stärke des Geweihes zu. Um das 12. Lebensjahr ist der Hirsch auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung angelangt. Geweih und Körperbau werden wieder schwächer. Das Geweih wird jedes Jahr zwischen Februar und April abgeworfen. Bis zum Hochsommer wächst es neu nach und ist von einer pelzigen Haut, dem “Bast” umgeben.

Das Wort „Gehege“ hat übrigens weniger mit den Zäunen zu tun- auch wenn die Länge von ca. 20km beachtlich ist- sondern kommt aus der Jägersprache und bezeichnet Maßnahmen, die die Lebensgrundlage des Wilds betreffen. Die Tiere sollen gehegt und gepflegt werden; mit dem Ziel der Erhaltung eines artenreichen und gesunden Wildbestandes. Das schließt die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen mit ein. Das Gehege dient so der Umweltbildung und dem Schutz heimischer Wildtierarten.

Der Verein „Wildgehege Meßstetten e.V.“ übernimmt diese Aufgaben. Jedes der aktiven Mitglieder übernimmt immer eine Woche lang den Futterdienst und damit 7 Tage lang die Verantwortung für das ganze Gehege. Täglich wird nach den Tieren geschaut- ob alle da sind und gesund; sie werden gefüttert, Zäune kontrolliert usw. Zusätzlich treffen sich alle einmal wöchentlich von März bis Oktober zum Arbeits-Dienstag, an dem sämtliche anfallenden Arbeiten erledigt werden. Die Geselligkeit kommt dabei nicht zu kurz. Und, wer freitags um ca. 18.30 Uhr durch das Wildgehege streift, wird einiges auf die Ohren bekommen. Seit dem Jubiläumsjahr 2022 trifft sich ein Teil der Mitglieder, um zusammen Jagdhorn zu spielen. Zum einen werden Signale aus der Jagd geübt: Jagdleitsignale (Aufbruch zur Jagd, Sammeln der Jäger…), Totsignale Hoch- und Niederwild (Bär tot, Elch tot, Sau tot usw.). Zum anderen auch Märsche, Fanfaren und Spielstücke.

Jäger zu sein ist kein Muss für die Mitarbeit im Verein. Das Wissen wächst mit den Diensten. Die wichtigste Grundvoraussetzung sei Interesse. Wer das mitbringt, kann gerne anrufen und zum Arbeitsdienst vorbeikommen, schauen und mitanpacken. Der Verein freut sich über das Miteinander von Jung und Alt- aus einer Familie sind nun alle drei Generationen mit dabei. Ebenso freuen sie sich über viele Besucher, die gerne und oft vorbeischauen dürfen. Nur nicht nachts. Da sollen die Tiere ihre Ruhe haben.

Ein weiteres No Go ist, wenn schimmlige Sachen an die Tiere verfüttert werden. Lebensmittel wie trockenes Brot, Äpfel, Birnen usw. können von zu Hause mitgebracht werden. Sie müssen aber in einem Zustand sein, der den Tieren nicht schadet. Jetzt im Herbst können auch Eicheln, Walnüsse und Kastanien mitgebracht und verfüttert werden.

Highlights im Jahreslauf sind jedes Jahr die Geburten der Jungtiere. Die Wildschweine- das sogenannte Schwarzwild- beginnen meist schon im Frühjahr. Beim Rotwild kommen die Jungen ab Juni zur Welt.

Das „Trester-Macha“ ist ebenso etwas Besonderes: Das, was bei der Apfelsaftherstellung übrig bleibt, wird mit einem LKW der Firma Berger ins Wildgehege gebracht. Der riesige Tresterberg neben dem Kiosk wird an einem Arbeitsdienst in Fässer geschaufelt. Ein Fass fasst ca. 80-90 kg und es werden etwa 100 Fässer befüllt. Die Firma Berger liefert jedes Jahr ebenso die Zuckerrüben an, die in den Futterhäusern für den Winter eingelagert werden. A prospos Winter: da hat der Kiosk zu. Denn im Winter gibt es im Wildgehege kein Wasser, da die Leitungen zu nahe an der Oberfläche liegen. Daher hat sich ein kleiner Verkauf beim Spielplatz etabliert. Und zur Eröffnung und zum Abschluss dieser Saison spielen die Jagdhornbläser.

Die charakteristischen hellgrünen Futterautomaten des Wildgeheges sind dagegen ganzjährig in Betrieb und werden täglich aufgefüllt. Sie sind aus umgebauten Zigarettenautomaten entstanden, deswegen haben die Futterpäckle auch ihre rechteckige Form.

Auf meine Frage, ob es Tiere gibt, die der Verein noch gerne aufnehmen würde, teilt mir Lisa mit, dass sie sich leider von den „Muffeln“ trennen müssen. Der Europäische Mufflon, jägersprachlich Muffelwild, kommt ursprünglich von Korsika und Sardinien. Widder haben schneckenförmig eingedrehte Hörner mit einer Länge von bis zu 80 cm. Das Muffelwild hat einen ausgeprägten Gesichtssinn und kann im Vergleich zu Rehen, die sich auf den Geruchssinn verlassen, einen Menschen auf über 800 Meter erkennen. Leider ist die Umgebung im Wildgehege nicht optimal geeignet, so dass für die Muffeln ein guter Platz gesucht wird.

Einen Platz an der Sonne haben mit Sicherheit die Ziegen. Ihr Gehege besitzt nicht nur eine gezimmerte Sonnenterrasse- nein, sie bekommen auch jeden Tag Besuch. Ein Ehepaar aus Ebingen kommt täglich vorbei und kämmt die Ziegen. Da sind sie am Zutraulichsten.

Ein Besuch im Wildgehege lohnt sich- zu jeder Jahreszeit. Der Verein engagiert sich in der naturnahen Haltung der Tiere und fördert das Bewusstsein für den Artenschutz und den Erhalt der natürlichen Lebensräume. Darüber hinaus wird der Jahresrhythmus und dessen Einwirkung auf die Besucher anschaulich gezeigt.

Zahlen, Daten, Fakten

  • Adresse: Geißbühlstraße, 72469 Meßstetten (2 km von Meßstetten entfernt).
  • Parkmöglichkeiten: Direkt auf einem großen Parkplatz an der Straße.
  • Fläche von über 200 000 qm mit 6 Gehegen.
  • Geöffnet 365 Tage/Jahr von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang.Besonders interessant ist ein Besuch im Herbst, wenn die Hirschbrunft stattfindet.
  • Kosten: Der Eintritt ist kostenlos, was das Wildgehege zu einer familienfreundlichen und zugänglichen Freizeitaktivität macht
  • Tierbestand: Rotwild (Hirsche); Damwild (Hirsche); Schwarzwild (Wildschweine); Ziegen; Muffel; Kaninchen und Pfaue.
  • Fütterungszeiten: Besucher können die Tiere oft bei der Fütterung beobachten, allerdings sind feste Fütterungszeiten nicht immer gegeben, da die Tiere in freier Wildbahnähnlicher Umgebung leben.
  • Füttern: An verschiedenen Automaten können Futterpäckle durch Besucher erworben werden.
  • Kiosk: Von März bis Oktober wird am Gehege ein kleiner Kiosk betrieben der Getränke und Snacks hat.
  • Spielplatz: Am Ende des Wildgeheges liegt ein schöner, gepflegter Spielplatz inkl. Grillplatz: mit Sitzmöglichkeiten, an dem gegrillt werden darf.
  • Musik: Das Wildgehege hat eine eigene Jagdhornbläsergruppe. Wenn man Glück hat, erschallen die Jagdhörner beim Spaziergang durchs Gehege.
  • Wege: Alle Wege sind barrierefrei und asphaltiert.
  • Hunde: Dürfen an der Leine mitgebracht werden.
  • Social Media: Das Wildgehege gibts auch bei Instagram und Facebook. Hier teilen wir Infos, Geburten, Aufgaben mit Interessierten.
  • Der Stadt Meßstetten gehört das Gelände; sie ist für Winterdienst, Mülldienst, Forstarbeiten und den Spielplatz verantwortlich

Der Verein

  • 1972 gegründet; Wildgehege wurde angelegt, um eine Attraktion für Einheimische und Touristen zu bieten. Sowie das heimische Wild in seinem Lebensraum zu zeigen
  • 1978 Auszeichnung vom Ministerpräsidenten des Landes BaWü mit einem Hauptpreis als vorbildliche kommunale Bürgeraktion.
  • 2022 Feier des 50jährigen Jubiläums; Gründung Jagdhorngruppe.
  • Aus 7 wurden 18 aktive Mitglieder; darunter 2 Frauen. Teils mit jagdlichem Hintergrund aber auch ohne.
  • Passive Mitglieder ca. 30- 40.
  • Finanzierung durch den Jahresbeitrag; Spendenkonto: IBAN DE98653512600062402945
  • Vorsitzender: Hans-Jürgen Grzesch
  • Vorsitzender: Jörg Weiss
  • Schriftführer: Andreas Schellein
  • Kassier: Gerd-Rainer Kästle
Autorin: Simone Haas