Grischa Ludwig – Vom Pferdehändler zum Quarter Horse Champion

Es sind die Geschichten von Menschen, die man so häufig hört und kaum zu glauben sind. Aber man hört sie häufig. Menschen, die eigentlich überhaupt nichts mit dem zu haben wollten, für was sie heute Feuer und Flamme sind. „Niemals hätte ich gedacht …“, lautet die Aussage, die man treffen kann, wenn man zurückblickt. Das ist der Pferdefuß. Es braucht erst die Jahre der Erfahrung, um es anschließend besser zu wissen. Eine dieser Geschichten verkörpert Grischa Ludwig, die Quarter Horse Koryphäe in Europa, der zu Beginn „gar nichts wusste“ und am liebsten professionellen Radsport betrieb. Aber, er weiß es heute besser. Aus dem Bike-Sattel wurde der Westernsattel und um die Füße seiner Pferde kümmert er sich heute aus Leidenschaft. Ich bin zu Gast beim vielfachen Champion und bin gespannt auf die Geschichte rund um sein Talent und die Tatsache, dass Pferde „nicht sein Ding“ waren.

Hallo Grischa, ich treffe nicht so häufig auf Europameister. Daher ist es für mich ein besonderer Moment, dich heute für ein Interview besuchen zu dürfen. Natürlich interessiert mich sehr, woher die Verbindung zwischen dir und den Pferden rührt und wie du zum Westernreiten kamst.

„Mein Vater leitete für die Diakonie Stetten ein reittherapeutisches Zentrum im Remstal in Baden-Württemberg. Die Gründung erfolgte vor 50 Jahren, so alt wie ich heute bin. Auf dem Hof bin ich groß geworden. Das war sozusagen mein erster Berührungspunkt mit Pferden. Und ich muss ehrlich sagen, mit Pferden, da war ich am Anfang nicht so bewandert. Sie waren nicht wirklich mein Ding. Sie erschienen mir dubios und auch ein bisschen gefährlich. Ich war einfach der Sportlertyp, das lag mir mehr. Bogenschießen und Leichtathletik habe ich gerne gemacht. Radsport sowieso, das ist bekannt. In allem war ich auch ziemlich erfolgreich. Pferde waren daher eher die Pflichtveranstaltung. Ich musste einfach im Betrieb mithelfen.

Zum Westernreiten kam ich, weil mein Vater während der Entwicklung des reittherapeutischen Zentrums feststellte, dass behinderte Menschen und Quarter Horses am besten zusammenpassen. Diese Pferde sind bequem, nervenstark und dennoch Sportpferde. Dazu lassen sie sich ruhig und leicht reiten. Ideal für das Therapieziel. Irgendwann sind wir mit diesen Westernpferden auf ein Turnier gefahren und da musste ich mit. Oder ich wollte mit, weil ich es nicht ungern gemacht habe. Auch wenn ich darin meine Profession mit 13 Jahren nicht sah. Ich wollte damals vielmehr die Tour de France gewinnen, wenn man es so sehen möchte. Das Turnier hat mich dann aber so sehr begeistert, dass ich spontan zu meinem Vater sagte, wenn er mir so ein Pferd kauft, dass ich sofort mein Bike verkaufe, den Radsport beende und offiziell in den Westernreitsport einsteige. Es war einfach etwas gänzlich anderes, als ich es von unserem Hof kannte. Es hat mir gefallen. Und da ich als Junge sowieso auch Cowboy sein wollte, hat dieser Lifestyle natürlich dazu beigetragen.

Mit 15 bin ich sozusagen zum Quarter Horse gekommen, etwas früher zum Westernreiten.“

Was genau bedeutet denn eigentlich Quarter Horse?

„Quarter Horse ist die größte Pferderasse, gemessen an der Anzahl. Es gibt keine Rasse, die nur annähernd so viele Nachkommen hat. Weltweit gibt es über vier Millionen eingetragene Quarter Horses. Diesen Eintrag in das Register braucht es, damit ein Pferd die Bezeichnung Quarter Horse erhält.“

Nun kennen wir deine Ursprünge und den entscheidenden Moment hinsichtlich Westernreiten. Wie ist es dir gelungen, dir dein eigens Gestüt samt Unternehmen aufzubauen?

„Nachdem mein Vater mit den Quarter Horses auf das richtige Pferd gesetzt hat, war schnell klar, in welche Richtung es gehen wird. Mein Bruder und ich ritten auf vielen Turnieren und hatten Erfolg. Wir wurden deutsche Meister, Vize- und Europameister. Damit hatte ich die Tour de France ad acta gelegt und wollte nun Berufs-Cowboy werden. Ich absolvierte eine Lehre an einem renommierten Stall in Hannover. Das war nicht einfach für mich, aber es war die lehrreichste Zeit. Vor allem in Hinblick auf den Umgang mit Pferden und deren Zucht. Als ich danach ins Remstal zurückkehrte, wusste ich, dass ich nie wieder in meinem Leben für jemand anderen arbeiten werde. Das passt nicht zu mir, dafür bin ich zu dickköpfig. Daher sagte ich zu meinem Vater, dass ich mich selbständig mache. Er meinte zwar, ich hätte einen Knall, aber das war mir egal. Bei einem guten Freund konnte ich meinen ersten Stall anmieten. Außerdem bin ich zur Gemeinde, um meine Selbständigkeit anzumelden. Weil es den Beruf Pferdetrainer im Reglement nicht gab, habe ich mich kurzerhand als Pferdehändler eintragen lassen. Was ja auch irgendwie passte. So gründete ich mein Unternehmen.

Der erste Stall mit den sieben Pferden wurde relativ schnell zu klein, weil der reiterliche Erfolg da war und ich eine sehr gute Kundschaft hatte, die an mich glaubte. Ein Freund aus Tübingen war zum Beispiel gewillt, gemeinsam mit mir einen Hengst zu kaufen. Ich hatte Lust darauf, also haben wir das getan und es war mein größtes Glück. Dieser Hengst wurde inzwischen in der deutschen Hall of Fame aufgenommen. Mit ihm habe ich die allergrößten Erfolge gefeiert, ein absoluter Erfolgsgarant. Auch seine Nachkommen haben alles gewonnen. Jedenfalls mussten wir uns letztendlich etwas Größeres suchen. Und so sind wir nach Bitz gekommen.

Den ersten Besuch zur Besichtigung in Bitz werde ich mein Leben nicht vergessen. Es lag drei Meter hoch Schnee, für mich aus dem Remstal gefühlte sechs. So viel Schnee hatte ich noch nie gesehen. Meine Geschäftspartnerin Silvia Maile und ich gingen an diesem Tag in einer Dorfkneipe Mittagessen. Dort haben wir uns angesehen und gesagt, ‚Wird scho schwierig‘, und die ersten zehn Jahren waren tatsächlich nicht einfach für uns. Bis wir uns an einem Maifest dann endlich in die Gemeinde integrieren konnten und uns ab da heimisch fühlten. 20 Jahre später sind wir immer noch hier.

Unsere Kunden und gute Freunde, haben uns auf unserem Weg sehr unterstützt. Gemeinsam entwickelten wir ein lukratives Programm und haben das Unternehmen Stück für Stück auf die Beine gestellt. Inzwischen haben wir zwei Reithallen. In Baden-Württemberg gibt es vermutlich keine größere Halle, höchstens eine ähnlich große. Wir betreiben ein wunderschönes Gestüt mit insgesamt 40 Hektar Land und 120 Pferden. Berittpferde aus ganz Europa kommen zu uns. Versorgt wird das gesamte Gut von mittlerweile 18 Angestellten und dieses Jahr feiern wir 30 Jahre Ludwig Quarter Horse. Es hat funktioniert.“

Welche Bedeutung hat denn Ludwig Quarter Horse für die Branche?

„Wir sind bekannt wie ein bunter Hund und in Deutschland schon das Nonplusultra. Wer Westernreitsport betreibt, kennt uns. Ich bin glaube ich der erfolgreichste deutsche Westernreiter. Das ist jetzt nicht das Wichtigste, aber es ist nun mal so. Ludwig Quarter Horse ist die Bench Mark, die es zu schlagen gilt. In Europa reihen wir uns sicher unter den Top fünf bis zehn Stallungen ein. Gerade auch, weil wir schon so lange mit dabei sein. Ich kenne kein Gestüt, das es heute noch gibt und schon dabei war, als wir vor 30 Jahren begonnen haben. Wir verfügen über eine gewisse Historie, sind ein Traditionsbetrieb. Das ist schon toll. Wir sind sehr stolz auf das, was wir erreicht haben. Es war harte Arbeit.“

Was heißt es für dich mit deinem Gestüt in Bitz im Zollernalbkreis zuhause zu sein?

„Mein Chef des Lehrbetriebes sagte damals zu mir, dass das Wichtigste der Standort sei, wenn man einen Hof kaufe. Als ich ihm erzählte, dass ich ein Gestüt in Bitz habe, war seine Antwort, dass ich auch überhaupt nichts gelernt hätte. *lacht*

Ich würde nie wieder woanders sein wollen. Weil es einfach schön ist und weil wir uns mit der Alb absolut identifizieren können. Ich mag meine alte Heimat im Remstal auch, vor allem, wenn ich ab und an den Dialekt höre. Aber hier ist es doch am schönsten. Der Zollernalbkreis steht für eine wunderbare Natur. Hier fährt man aus dem Ort hinaus und es erwartet einen nur Landschaft, die man genießen kann. Je älter man wird, desto mehr lernt man es zu schätzen. So etwas wie wir hier, das haben nicht viele. Danach sehnen sich viele Menschen. Im Endeffekt ist die Lebensqualität auf der Schwäbischen Alb etwas Besonderes. Es ist alles ein bisschen entschleunigter, nicht so hektisch. Es gibt keine Geräuschkulisse. Bei Nacht öffne ich das Fenster und höre nichts. Das kennen die meisten ja gar nicht mehr.

Doch, wir fühlen uns richtig gut aufgehoben und inzwischen selbst als richtige Bitzer. Es wird hier nicht schlechter, sondern immer nur besser.“

Hier tankst du also ordentlich auf und schöpfst Energie für deine täglichen Aufgaben. Wie sieht denn dein Alltag heute aus?

„Ich reite noch immer, auch Turniere und diese erfolgreicher denn je. Die Erfolgskurve geht noch immer nach oben. Mittlerweile bin ich Million Dollar Rider. Das ist die größte Auszeichnung, die es im Westernreitsport gibt. Es bedeutet, dass die Gewinnsumme eine Million Dollar überschreitet. Leider landet diese Million nie auf meinem Konto. *lacht*

Gemeinsam mit meinem Team und vier weiteren Bereitern züchten, verkaufen und trainieren wir Pferde für den internationalen Turniersport. Das Gestüt und das Unternehmen machen wir immer noch größer. Solange wir erfolgreich sind, brauchen wir keine kleineren Brötchen zu backen.“

Mit gefällt deine Einstellung Grischa und deine Leidenschaft für das, was du tust. Was du mit Ludwig Quarter Horse erreicht hast, ist einzigartig. Gibt es etwas, dass du dir darüber hinaus wünschst? Vielleicht auch für deine Wahlheimat?

„Einen gesunden Tourismus, das wäre hier schön. Doch wann ist es zu wenig und ab wann ist es zu viel. Darüber lässt sich streiten. Klar ist, dass sich die Alb im Wandel befindet. Nicht mehr ausschließlich die industrialisierte Textilstraße ist. Es wird schöner und man spürt, wie ein gewisser Tourismus einzieht. Es nimmt schon alles seinen Gang. Ich bin glücklich hier. Für mich langts no raus.“

Diese Frage muss ich jetzt einfach stellen: Was bedeutet es für dich, auf dem Rücken der Pferde zu sitzen? Kannst du dieses Glück beschreiben?

„Ich habe mein Hobby zum Beruf machen können. Das sind die Pferde. Mit ihnen hat man immer einen Partner an der Seite. Gleichzeitig muss man aufeinander hören. Das macht keinen Tag uninteressant. Weil es ein Lebewesen ist, keine Maschine. Dazu sind sie unwahrscheinlich schöne und stolze Tiere. Pferde sind für mich ein Lebensgefühl und das ist unbezahlbar.

Ich übe meinen Beruf nun schon seit 35 Jahren aus und gehe immer noch gerne in den Betrieb. Ich sitze noch immer gerne aufs Pferd und entwickle mich dabei weiter. Das verlangen die Pferde von mir. Und das verlange ich von mir selbst.“

Eine freie Stunde Grischa, in der du nicht der Westernreiter und Ludwig Quarter Horse Chef bist. Was machst du?

„Familie und Tennis. Das Biken habe ich aufgegeben, es hat mir irgendwann keinen Spaß mehr gemacht. Dadurch bin ich zum Tennis gekommen und ich spiele es unwahrscheinlich gerne. Jede Minute, in der mich meine Familie und mein Beruf nicht brauchen, findet man mich auf dem Tennisplatz.“

Bewegt wie eh und je würde ich sagen. Und eine bewegende Geschichte im Allgemeinen. Ich könnte noch viel länger dem Mann lauschen, dessen Erfolg ganz unspektakulär und entgegen seinen Wünschen begann. „Nie hätte ich gedacht …“. Doch Grischa Ludwig ist der Mann, der das Gegenteil beweist und der davon packend erzählt. Jemand, der seinen Weg geht und dessen Dickkopf sein Gutes hat. Ein Interview, das im Gedächtnis bleibt.

Lieber Grischa, herzlichen Dank für deine Zeit und Gastfreundschaft. Wir hoffen, dass deine Erfolgswelle noch lange anhält und wir noch viele Auszeichnungen für dich und dein Unternehmen verfolgen dürfen.

Autorin: Anja Buntz